Aller guten Dinge sind drei
Ich fahre viel und gerne Fahrrad. Eigentlich bin ich in Buchholz (fast) immer mit dem Fahrrad unterwegs. Die Strecken sind kurz und die Ziele häufiger viel besser und schneller mit dem Rad als mit dem Auto zu erreichen. Auch das Parken ist mit dem Fahrrad viel einfacher und stets kostenlos. Bequem ist es auch, dass man mit dem Fahrrad eigentlich überall bis vor die Tür fahren kann. Ein Auto benutze ich nur gelegentlich aus Bequemlichkeit, wenn es z. B. regnet und ich keine Lust habe, mich in Regenklamotten zu hüllen, oder wenn ich andere (meist Nicht-Radfahrende) mit dem Auto irgendwo abholen oder hinbringen soll. So werden diese Gelegenheiten vermutlich auch meine Herausforderungen in den drei Stadtradeln-Wochen. Zudem habe ich mir vorgenommen, auch nach Hamburg ins Büro zu radeln (ca. 30 km pro Strecke). Dafür nutze ich ansonsten den Metronom und eher seltener das Rad. Anders als in den Jahren 2015 und 2016, wo ich schon einmal Buchholzer Stadtradeln-Star war, muss ich nur noch 1-2 Mal pro Woche nach Hamburg und arbeite ansonsten im Homeoffice. So werde ich wohl keine vierstellige Kilometerzahl wie damals erradeln. Es geht ja auch beim Stadtradeln gar nicht darum, Kilometerrekorde aufzustellen, sondern sein Mobilitätsverhalten zu hinterfragen und nachhaltiger zu gestalten. Die kurzen Wege innerhalb von Buchholz sind quasi geradezu prädestiniert dafür, diese viel häufiger mit dem Fahrrad zurückzulegen. Dafür möchte ich ein bisschen Vorbild sein und andere dazu animieren, es ebenfalls auszuprobieren. Dabei stellt man jedoch schnell fest, dass Radfahren in Buchholz häufig nur wenig sicher und bequem ist. Dazu aber später mehr.
1. Aktionswoche vom 9. bis 15. Juni 2025
Ich hatte mir vorgenommen, in diesem Jahr alle Alltagsfahrten, die man auch mit dem Auto machen könnte, bewusst mit dem Fahrrad zu absolvieren. Von Einkäufen und Besorgungen bis zu meinen Pendlerfahrten zur Arbeit in Hamburg. Ich war gespannt, welche Herausforderungen darüber hinaus auf mich warten würden. Die ersten Tage liefen problemlos. Das Auto habe ich nicht ein einziges Mal vermisst. Gleich am ersten Tag machten wir vor dem Rathaus deutlich, unter welchem Motto wir als Team dieses Jahr beim Stadtradeln mitmachen wollten: #SucheSicherenRadweg.
Am 12. Juni ging es dann das erste Mal nach Hamburg, mit dem E-Lastenrad, Duschzeug und Büroklamotten an der B75 entlang bis nach Harburg. In Tötensen stieß ich auf Stefan, meinen Vorstandskollegen bei Buchholz fährt Rad. Er war mit seinem Gravel-Bike auf dem Weg zur Arbeit nach Wilhelmsburg. Wir konnten somit ein Teilstück von ca. 14 Kilometern zusammen fahren. Ab dem Harburger Bahnhof fuhren wir auf der Radroute 4 bis nach WilheImsburg. Ab Wilhelmsburg setzte ich meine Tour allein fort und fuhr auf der Radroute 12 über Veddel bis zu den Elbbrücken und danach auf der Radroute 2 bis zu den Deichtorhallen, insg. ca. 30 Kilometer. Am Arbeitsplatz haben wir zum Glück eine Dusche, so dass ich mich nach ca. 1,5 Stunden Radtour frisch geduscht an den Schreibtisch setzen konnte.



Bereits am Freitag wartete dann tatsächlich die erste Herausforderung auf mich. Für das Filmfest „Zukunft braucht Mut“ des Vereins BuchholzZero e.V. hatte ich die Vorführtechnik (Beamer, Leinwand und Lautsprecher) beim Medienzentrum des Landkreises Harburg reserviert. Sollte ich meinen Sohn per Auto nach Hittfeld zur Abholung schicken? Er hätte es bestimmt gemacht. Nein, der Ehrgeiz war gepackt, das alles mit dem Fahrrad zu schaffen. So fuhr ich mit einem großen Fahrradanhänger, einer Carla Cargo, hinter meinem E-Lastenrad nach Hittfeld, lud die Vorführtechnik auf und fuhr ohne Probleme wieder zurück nach Buchholz. Das Ganze hatte zwar zwei Stunden in Anspruch genommen, aber ich war glücklich, es auch ohne Auto geschafft zu haben.
Am Ende der ersten Woche hatte ich bereits die ersten 154 Kilometer im Sack.
2. Aktionswoche vom 16. bis 22. Juni 2025
In der zweiten Woche habe ich es bei #SucheSicherenRadweg sogar auf 201 Kilometer gebracht. Ich war aber auch zweimal im Büro in Hamburg (jeweils 60 km). Ich musste nicht, hatte aber Lust. Bislang bin ich tatsächlich jeden Tag mit dem Fahrrad gefahren, auch wenn es an einem Tag nur eine kurze Strecke von 700 Meter zum Supermarkt und wieder zurück war.
Am 17. Juni hatte Buchholz fährt Rad zu einem Radreisevortrag eingeladen. Jörg Lickfett berichtete von seiner Tour auf dem European Divide Trail (EDT) vom Südwesten Portugals bis zum Nordosten Norwegens. Sehr beeindruckend und eine beachtliche Leistung. Ich fühlte mich so klein, obwohl ich zu dieser Zeit auch schon fast 200 Kilometer beim Stadtradeln auf der Uhr hatte 😉
Normalerweise pendele ich mit der Regionalbahn (Metronom) nach Hamburg. Dafür benötige ich – wenn der Zug planmäßig fährt – rd. 60 Minuten von Haustür zu Haustür. Mit dem E-Lastenrad bin ich nur 20 Minuten (plus Duschzeit) langsamer, muss aber keine zusätzliche Sporteinheit mehr einplanen. Mit dem Auto bin ich i.d.R. etwas (ca. 15 Min.) schneller als mit dem Metronom. Auf jeden Fall ist das Gefühl, mit dem Fahrrad an dem Stau vorbeizufahren, deutlich schöner, als mit dem Auto selbst im Stau zu stehen. Man fühlt sich dann – zurecht – als Teil der Lösung und nicht des Problems.



Bei der abendlichen Rückfahrt am 18. Juni von Hamburg nach Buchholz traf ich André. Wir kannten uns nicht, kamen ins Gespräch und schwups hatte er sich abends gleich für unser Stadtradeln-Team angemeldet. Eine schöne Begegnung, die man so im Auto auch eher nicht hat. André fährt auch außerhalb vom Stadtradeln häufig mit dem Rad zur Arbeit. Jedoch nur zurück, weil er keine Duschmöglichkeit am Arbeitsplatz hat. Aber auch nicht täglich, weil die morgendliche Mitnahme des Fahrrads im Metronom jeden Tag 3,50 EUR (innerhalb des HVV-Tarifgebiets) kosten würde.
Mit dem Wetter hatte ich bislang richtig Glück. Keinen Wind und nur einen Tag ein bisschen Regen, nicht der Rede wert.
Auch diese Woche galt es eine Herausforderung zu meistern, die für viele mit dem Fahrrad unlösbar erscheint: Bringe vier Kisten Leergut weg und komme mit vier vollen Getränkekisten zurück. Manch einer wird sagen: „Für solche Einkäufe braucht man definitiv ein Auto. Das sind genau die Alltagsdinge, die dazu führen, nicht auf ein Auto verzichten zu können“. Aber auch hier wird das Fahrrad als Lösung unterschätzt. Denn ohne Probleme konnte ich vier Getränkekisten mit meinem Lastenrad transportieren. Spoiler: das wusste ich bereits vor dem Stadtradeln 😉 Auch das Wegbringen von Grünschnitt aus dem Garten zur Müllumschlaganlage in Nenndorf war kein Problem. Ganz im Gegenteil, so blieb das Auto sogar sauber.
Auf geht’s in die dritte und letzte Stadtradelnwoche. Bislang war es wirklich kein Problem, auf das Auto zu verzichten.
3. Aktionswoche vom 23. bis 29. Juni 2025
Auch die dritte Woche verging wie im Fluge … und das mit dem Fahrrad 😉 Es kamen nochmal 120 Kilometer oben drauf. Einen Tag habe ich mich tatsächlich für eine kleine Runde aufs Rad gesetzt, nur damit die Serie nicht reißt. So bin ich dann an allen 21 Tagen der drei Stadtradeln-Wochen mit dem Fahrrad unterwegs gewesen.
An meinem Bürotag hat es mich auf der Rückfahrt von Hamburg dann doch erwischt. Ich musste ein paar Minuten durch Regen fahren. Aufgrund des warmen Sommerregens reichte es aber aus, eine Regenjacke überzuziehen und ansonsten die Radlerhose und Birkenstock-Sandalen anzulassen. Herrlich war’s! Nach dem Regenguss fuhr ich einen kleinen Umweg nach Hause, unter anderem an dem Anwesen von Dieter Bohlen in Tötensen vorbei. So kam ich wieder trocken zu Hause an. Morgens auf der Hinfahrt traf ich Christoph, dem ich neue Wege nach Hamburg zeigen konnte, die bislang von ihm noch unentdeckt waren. Das Haus mit Goldfassade auf der Veddel kannte er als Kunstliebhaber hingegen schon.



Am 25. Juni stattete ich den Freunden von „Soltau fährt Rad“ einen Besuch ab. Sie luden zu einem Vortrag über eine Reise ohne Flugzeug nach Südostasien ein. Auch dabei spielte das Fahrrad natürlich eine entscheidende Rolle. Am 29. August sind die beiden Reisenden auch in Buchholz, um auf Einladung von Buchholz fährt Rad ihren Vortrag zu zeigen. Ich freue mich schon darauf. Die Fahrt nach Soltau absolvierte ich in einer Kombination aus Rad und Bahn. ÖPNV ist ja als Stadtradeln-Star erlaubt. Anders wäre ich heute auch nicht rechtzeitig genug in Soltau gewesen.
Zum Ende gab es nochmal eine Herausforderung, die mich an meine Grenzen als Stadtradeln-Star brachte. Meine Cousine hatte leider ihren Kampf gegen Krebs verloren und war gestorben. Am 28. Juni war die Trauerfeier angesetzt, an der ich unbedingt teilnehmen wollte. Mit dem Rad hätte ich zwei Tage hin und auch zwei Tage wieder zurück gebraucht. Zudem wären Übernachtungen nötig geworden. Und wie sollte ich einen schwarzen Anzug auf dem Rad transportieren? Also wohl doch eher mit der Bahn hinfahren? Die Verbindung war leider wenig optimal. Letztendlich sind wir dann mit dem Auto gefahren, obwohl ich damit die Regeln für Stadtradeln-Stars gebrochen habe. Denn die Nutzung eines Autos ist einem Stadtradeln-Star nur im Notfall erlaubt. Aber war das ein Notfall? Wohl eher nicht. Andernfalls wäre diese Autofahrt durch mich nicht zu verhindern gewesen. Denn die Familie wäre auf jeden Fall mit dem Auto gefahren. Dann kann ich auch mitfahren, dachte ich. Denn alles andere war mir einfach zu unbequem und zu kompliziert. Ist dann halt so. Das Auto hat dann manchmal doch seine Vorteile. Und das Beispiel zeigt, dass es im ländlichen Bereich nicht immer gut mit ÖPNV und Fahrrad klappt, bequem von A nach B zu kommen. Hier ist im Rahmen der Verkehrswende sicherlich noch einiges zu tun. Ob ich nun als Stadtradeln-Star versagt habe, mögen andere beurteilen. Mir war der Besuch der Trauerfeier wichtiger als mein Dasein als Stadtradeln-Star. Ich bitte um Verständnis und Nachsicht.
Fazit: #SucheSicherenRadweg
Ich fahre gerne und im Alltag viel Fahrrad. Auch außerhalb des Stadtradelns versuche ich, viele meiner Alltagswege mit dem Fahrrad zurückzulegen. In einer Stadt wie Buchholz funktioniert das i.d.R. auch ganz gut. Die Wege sind meistens so kurz, dass sie problemlos mit dem Fahrrad absolviert werden können. Durch die Nutzung von E-Bikes ist die Topografie auch kein wirklicher Hinderungsgrund mehr. Und für manche Transporte gibt es mit Anhängern und Lastenrädern auch Möglichkeiten, weitestgehend auf ein Auto verzichten zu können. So fahre ich inzwischen auch recht selten mit dem Auto. Die Challenge, als Stadtradeln-Star komplett auf das Auto zu verzichten, ist für mich daher keine echte Herausforderung mehr. Ich habe diese dennoch gerne angenommen (und mit der geschilderten Einschränkung auch gemeistert).
Ich habe mich in diesem Jahr auf Wege und Fahrten konzentriert, die ich bewusst mit dem Fahrrad und eben nicht mit dem Auto zurücklege. So sind es am Ende 475 Kilometer in drei Wochen geworden. Viele hohe Kilometerleistungen beim Stadtradeln kommen oftmals nur zu Stande, weil sportliche Touren auf dem Rennrad oder Radtouren in der Freizeit mitgerechnet werden dürfen. Das sind aber oftmals Touren, die man ansonsten eher gar nicht als mit dem Auto gemacht hätte. Darum geht es beim Stadtradeln aber eigentlich nicht. Viel wichtiger sind Teilnehmer:innen, die Fahrten, die sie ansonsten mit dem Auto absolvieren, nun bewusst mit dem Fahrrad machen. In der Hoffnung, dass man im Alltag merkt, vieles geht auch per Rad, sogar die Wocheneinkäufe mit Getränkekiste, und möglichst nach dem Stadtradeln auch dabei bleibt.



Problem dabei ist nur, dass die Buchholzer Radinfrastruktur nicht sicher und einladend genug ist. Jemand der gewillt ist, sein Mobilitätsverhalten zu ändern und mehr Fahrrad zu fahren, wird von der aktuellen Radinfrastruktur eher abgeschreckt als eingeladen. Entscheidend ist eine Radinfrastruktur, die sicher ist und etwaige Fehler (z. B. von Kindern) verzeiht, aber auch einladend komfortabel ist, so dass man Freude am Radfahren empfindet. #SucheSicherenRadweg war daher auch das diesjährige Motto des Stadtradeln-Teams „Buchholz fährt Rad e.V. mit #SucheSicherenRadweg“. Einige Stellen, an denen wir vergeblich gesucht haben, wurden entsprechend kenntlich gemacht. Verbunden mit der Bitte (Forderung) an die Stadtverwaltung und Lokalpolitik, die Radverkehrsförderung endlich ernsthaft anzugehen. Nur eine fahrradfreundliche Stadt ist auch kinderfreundlich und lebenswert.