Lars „Hirse“ Hirsekorn, VW-Arbeiter seit 30 Jahren und VW-Betriebsrat seit zwei Jahren, ist diese Woche mit einem roten Lastenrad auf Konversionstour durch Norddeutschland geradelt. Am vergangenen Freitag war er zum Abschluss der Tour bei uns in Buchholz zu Gast.
Seit vielen Jahren reden Politik, Gewerkschaften und Umweltbewegung über den Umbau der Mobilität und was in der Industrie dafür passieren müsste. Greenpeace „entführt“ tausende Fahrzeugschlüssel auf die Zugspitze, um Volkswagen zum Handeln zu bewegen. Viele große NGOs und Verbände stellen Forderungen auf und erzeugen somit den mehr als notwendigen Druck auf Politik und Industrie. Aber bewegen tut sich wenig.
Das Fabrikkollektiv „gkn4future“ baut Zukunft
In der Nähe von Florenz gibt es eine Belegschaft, die von sich aus handelt und das Wort Konversion mit Leben füllt. Nach der plötzlichen Schließung ihres Werks, wurde es von der Belegschaft übernommen. Gemeinsam mit Wissenschaft und Klimabewegung haben die Beschäftigten ein tragbares Konzept für eine gesellschaftlich sinnvolle Produktion erarbeitet. Statt Autoachsen wie bisher wollen sie künftig Lastenräder und vor allem Solarpanele herstellen.
Erst im Dezember 2023 hat das Arbeitsgericht Florenz der Belegschaft zugesprochen, dass nur sie einen realistischen Businessplan für die Zukunft der Fabrik hat. Jetzt geht es in die konkrete Umsetzung. Die Arbeitsgerichte haben immer wieder die Unwirksamkeit der Kündigungen bestätigt. Sie fordern gemeinsam mit der Region Florenz eine Unterstellung der Fabrik unter einen Kommissar und unter eine Sonderverwaltung.
Dafür haben Sie eine Genossenschaft gegründet. Im ersten Schritt wurden von Organisationen, Kulturverbänden, Vereinen aber auch Tausenden Einzelpersonen Anteile im Wert von über 850.000 € gezeichnet. Doch wer Fabrikkosten kennt, weiß, dass das nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Die italienische „Banca Etica“ hat am 18. Mai 2024 das Reindustrialisierungskonzept für finanziell absolut tragfähig erklärt.
Als nächstes geht es darum, das Projekt europaweit bekannt zu machen und gleichzeitig Druck auf die europäischen und italienischen Institutionen zu machen.
Dafür gab es im Juni eine erste „Konversionstour“, bei der Gewerkschafter:innen und Klimaaktivist:innen mit einem Lastenrad aus der Produktion des Fabrikkollektives von Wolfsburg über Bochum nach Stuttgart fuhren und Veranstaltungen in über 15 Städten absolvieren haben. Mit der Nordtour in dieser Woche wurde diese nun fortgesetzt.
Hirse informierte uns über den aktuellen Stand der Konversionbemühungen in Florenz. Zu Beginn der Veranstaltung zeigte er die Film-Doku „Lasst uns aufstehen“, in dem die Geschichte des Fabrikkollektivs gezeigt wird. Im Anschluss wurde über die Notwendigkeit der Konversion der Automobilindustrie und die Frage diskutiert, ob es dazu eine Vergesellschaftung der Automobilkonzerne bedarf. Das rote Lastenrad, ein Prototyp aus der Fabrik in Florenz, konnte im Anschluss bewundert und zur Probe gefahren werden.
Mehr Infos zum Thema unter den folgenden Links:
- https://zeitschrift-luxemburg.de/artikel/insorgiamo/
- https://insorgiamo.org/germany/
- https://www.igmetall-berlin.de/aktuelles/meldung/ex-gkn-for-future-unsere-solidaritaet-ist-gefragt
- https://www.nd-aktuell.de/artikel/1174942.betriebsbesetzung-in-italien-malocher-for-future.html
- https://www.labournet.de/interventionen/solidaritaet/autozulieferer-gkn-schliesst-florentiner-werk-campi-bisenzio-und-setzt-450-familien-auf-die-strasse-per-e-mail/
- https://de.labournet.tv/die-gkn-fabrikbesetzung-braucht-deine-hilfe
- https://de.labournet.tv/lasst-uns-aufstehen-das-fabrikkollektiv-gkn
- https://insorgiamo.org/100×10-000/
- https://www.instagram.com/p/C2nCK-ON0ix/
- https://www.nd-aktuell.de/artikel/1183701.italien-arbeitskaempfe-widerstand-lohnt.html