Als siebenköpfige Delegation besuchten wir am vergangenen Freitag Kiel, um uns vom dortigen Radverkehrsbeauftragten Uwe Redecker die Highlights der Kieler Fahrradinfrastruktur zeigen zu lassen. Das war auch bei Schmuddelwetter sehr beeindruckend. Herzlichen Dank nach Kiel.

Die Anreise verlief anders als geplant. Unser Zug endete in Bordesholm, so dass wir die letzten 20 Kilometer mit unseren Rädern nach Kiel fahren mussten. Dadurch kamen wir mit einer Stunde Verspätung an der Kieler Radstation, dem vereinbarten Treffpunkt, an.

Kieler Radstation
Die Radstation besteht aus einem Fahrradparkhaus, einem Fahrradverleih und einer Fahrradwerkstatt. Sie wird von einem gemeinnützigen Träger betrieben. Sie verfügt über 600 bewachte und wettergeschützte Stellplätze, die im Schnitt zu 75% ausgelastet sind. Das Tagesticket kosten 0,70 EUR, das Monatsticket 7 EUR und das Jahresticket 70 EUR. Für 90 EUR im Jahr gibt es sogar einen festen persönlichen Stellplatz. Aus den Erfahrungen in den Niederlanden weiß man, dass sich Fahrradparkhäuser erst ab einer Größenordnung von ca. 1.000 Stellplätzen wirtschaftlich rechnen. Aktuell schießt die Stadt Kiel rd. 30.000 EUR pro Jahr zu. Aufgrund der guten Nachfrage ist die Erweiterung der Radstation bereits in Planung.

Holstenfleet
Die Holstenbrücke war noch vor ein paar Jahren eine mit Autoverkehr viel befahrene Straße in der Kieler Innenstadt. Sie wurde in einem inzwischen preisgekrönten Städtebauprojekt zusammen mit dem Berliner Platz umgebaut. Es entstand der Holstenfleet mit Flaniermeile und hoher Aufenhaltsqualität, nahezu autofrei und als neuer südlicher Abschluss der Kieler Altstadt.

Mobilitätsstationen
Bislang gibt es über das Kieler Stadtgebiet verteilt neun Mobilitätsstationen, die das Umsteigen auf andere Verkehrsmittel vereinfachen. Die Fotos zeigen beispielhaft die Mobilitätsstation am Wilhelmplatz. Zwei Bushaltestellen befinden sich in unmittelbarer Nähe. Für Fahrräder, Pedelecs und Lastenräder stehen witterungsgeschützte und sichere Abstellmöglichkeiten zur Verfügung.  Außerdem kann man dort ein Carsharing-Auto, ein Rad der SprottenFlotte oder einen E-Roller ausleihen sowie sein E-Auto laden.  Kostenfreies W-LAN, eine begrünte Außenfläche mit Sitzgelegenheiten sowie öffentlichen Toiletten runden das Angebot ab. Im Rahmen der Europäischen Mobilitätswoche fand am Wilhelmplatz ein Mobilitätsfest statt.

Veloroutennetz
Kiel kennt Velorouten bereits seit 35 Jahren. Da sich die Anforderungen der Radfahrenden nicht nur an ihre Fahrräder, sondern auch an die Infrastruktur erheblich gewandelt haben, baut Kiel bis 2035 ein neues Netz von insgesamt zehn Premiumrouten aus. Sie sollen möglichst autofrei, mindestens aber autoarm, ampelarm und kreuzungsarm gestaltet sein. Auffällig sind die breiten weißen Randstreifen, die großen Fahrradpiktogramme und die speziellen Routenschilder. Alle Velorouten sind natürlich Fahrradstraßen und Auto-Durchgangsverkehr wird mittels Modalfiltern aus den Fahrradstraßen rausgehalten. Kiel hat zur Orientierung auf dem Fahrrad einen Online-Fahrradstadtplan erstellt.

Veloroute 10 als Premiumroute
Die Veloroute 10 ist bereits auf einer Länge von 4,5 Kilometern auto- und ampelfrei realisiert worden. Das war möglich, weil eine alte Bahntrasse genutzt werden konnte. Aktuell nutzen diese Route über 5.000 Radfahrende täglich. Sie hat eine Anziehungskraft. Das Fahren auf dieser Route ist ein Erlebnis, so dass Radfahrende sogar einen Umweg in Kauf nehmen, um auf ihr zu fahren. Sie soll im Norden und Süden noch auf insgesamt 7 Kilometer verlängert und um einen Fußweg erweitert werden.

Protected Bike Lane
Kiel hat am nördlichen Ende der Kiellinie auch eine Protected Bike Lane. Kein Hingucker, aber offenbar wirkungsvoll.