Bereits seit Gründung von Buchholz fährt Rad war es uns ein Anliegen, einmal nach Kopenhagen zu reisen, um uns in der Welthauptstadt des Radverkehrs umzusehen. Nach mehreren vergeblichen Anläufen hatte es in diesem Jahr endlich geklappt. Ende August fuhren wir für ein langes Wochenende zu elft mit der Bahn nach Kopenhagen. Fahrräder liehen wir uns vor Ort. Wir testeten aber nicht nur die Radwege in Kopenhagen und klapperten so die Sehenswürdigkeiten ab, sondern schauten auch bewusst auf Lösungen, die wir ggf. nach Buchholz mitnehmen könnten. Aber ist Buchholz schon reif für eine grüne Welle für den Radverkehr, für ein Netz von Velorouten durch das Stadtgebiet, für vermeintliche Kleinigkeiten, die dem Radfahrenden zeigen, dass er willkommen ist (z. B. breite Radwege, geneigte Mülleimer an den Velorouten oder Haltestangen vor Kreuzungen)?
Besonders auffällig war, dass der Radverkehr in Kopenhagen absoluten Vorrang hat. Autos warten wie selbstverständlich, bis die vielen Radfahrer den Weg zum Abbiegen durch eine Lücke frei machen. Kein Gehupe, absolute Rücksichtnahme. Das kennen wir so aus Buchholz bzw. Deutschland nicht. In Kopenhagen hat der Radverkehr absoluten Vorrang. Dennoch waren wir überrascht, wie viele Autos noch durch Kopenhagen fahren, obwohl 62 % mit dem Rad zur Arbeit oder Schule bzw. Uni pendeln.
Radfahren ist in Kopenhagen allgegenwärtig und zur Selbstverständlichkeit geworden. Der Grund dafür liegt vor allem darin, dass das Radfahren zur schnellsten Fortbewegungsmöglichkeit in Kopenhagen geworden ist, erzählte uns Klaus Bondam, der Vorsitzende des Cyklistforbundet (dänischer Radfahrerverband, vergleichbar mit dem ADFC in Deutschland), bei einem Treffen in seinem Büro. Klaus Bondam war von 2006 bis 2010 als Umwelt-Bürgermeister mitverantwortlich für den Boom des Radverkehrs in Kopenhagen. Er berichtete uns zu recht sehr stolz von dem Entstehen der dänischen Fahrradkultur, die weltweit Vorbildcharakter hat. Vor diesem Hintergrund hat sich z. B. die Dänische Fahrradbotschaft gegründet. Die Idee ist, the danish Way of Cycling in die Welt hinauszutragen.
Gleich neben der Geschäftsstelle des Cyklistforbundet in der Rømersgade konnten wir einen Kindergarten bewundern, in dem den Kindern ganz selbstverständlich bereits früh der sichere Umgang mit dem Fahrrad beigebracht wird. So lernen die Kinder bereits früh das Freiheitsgefühl auf dem Fahrrad kennen und werden in ihrem Selbstbewusstsein gestärkt, schwärmte Klaus Bondam. In der Schule lernen sie dann, sich sicher im Straßenverkehr zu bewegen. In Kopenhagen fahren die meisten Kinder bereits ab 10/11 Jahren eigenständig mit dem Fahrrad durch die Stadt.
Ein weiterer großer Unterschied zwischen Kopenhagen und Buchholz scheint der Wille zu sein, den Radverkehr vor allen anderen Verkehrsarten zu stellen. Dieser entschiedene Wille fehlt (noch) in Deutschland (besonders in Buchholz). Vielleicht liegt es an der Autolobby; Deutschland ist ein Autoland, spekulierte Klaus Bondam. Dänemark hat den Vorteil, es keiner Automobilindustrie recht machen zu müssen. So sahen wir in vielen Fällen einfach pragmatische Lösungen, die in Deutschland schon allein aus Vorschriftsgründen unmöglich erscheinen. Sind in Kopenhagen Bordsteine für den Radverkehr nicht abgesenkt, wird einfach ein bisschen Asphalt gegen die Kante geklatscht. Überrascht waren wir allerdings darüber, dass die Fahrradständer in Kopenhagen überwiegend „Felgenkiller“ sind, die in Deutschland eigentlich nicht mehr eingesetzt werden. Auf die Frage, was man denn in Dänemark von den Deutschen in puncto Radverkehr lernen könnte, antwortete Klaus Bondam, zwei Dinge: die Förderung von Lastenrädern und des Radtourismus. Letzteres können wir bestätigen. Selbst in Kopenhagen war die Ausschilderung der Velorouten und Radwege mangelhaft.
So können wir festhalten, dass Kopenhagen es geschafft hat, dem Fahrrad in allen Belangen Vorrang zu geben. Für die Menschen in Kopenhagen ist es selbstverständlich geworden, ihre Wege überwiegend mit dem Fahrrad zurückzulegen. Die technische Umsetzung und Ausführung der Radwege ist aber nicht überall vorbildlich, obwohl wir uns aufgrund der Rücksichtnahme der Autofahrer*innen immer sicher im Straßenverkehr gefühlt haben. Dennoch war das träumerische Radfahren auf abgelegenen Strecken, so wie man es aus Buchholz und Umgebung kennt, weitestgehend unmöglich. Es gab einfach zu viele Radfahrer*innen, auf die man zu achten hatte. Ein Luxusproblem!
Und was nehmen wir nach Buchholz mit? Den Traum davon, wie Radverkehr funktionieren kann. Wir empfehlen den Besuch von Kopenhagen, um sich von dieser Fahrradbegeisterung anstecken zu lassen.