Außer Farbe nix gewesen

Am vergangenen Freitag wurde die erste Buchholzer Bequem+Sicher-Route (BSR 1) für Radfahrende eröffnet. Sie ist 2,8 Kilometer lang und startet an der Einmündung des Pferdewegs in die Schützenstraße und führt über Pferdeweg, Kamillenweg, Brandenburger Straße, Friedrichstraße und Dibberser Mühlenweg bis in die Brauerstraße im Gewerbegebiet Vaenser Heide. Nach Fertigstellung des sich aktuell in der Erschließung befindlichen Technologieparks TIP wird sie bis nach Dibbersen verlängert werden. Drei weitere Routen sollen in den nächsten Jahren umgesetzt werden, um den Radverkehr in Buchholz zu stärken. Ziel ist es, dem Radverkehr eine Alternative zu den Routen entlang der Hauptverkehrsachsen durch Tempo 30-Zonen, Wohngebiete sowie über Wirtschaftswege zu bieten. Soweit, so gut! Das ist auch ein Anliegen, das wir unterstützen. Wir sind die neue BSR 1 abgefahren, um zu sehen, ob sie den Erwartungen gerecht wird.

Am Eingang zum Pferdeweg findet man auch gleich die wesentliche Neuerung, die mit der BSR 1 einhergeht. Die Route wird für alle Verkehrsteilnehmer sichtbar als grün-weißes Piktogramm auf dem Straßenbelag gekennzeichnet. Das Piktogramm hätte nach unseren Vorstellungen ruhig noch etwas größer und dadurch auffälliger aufgebracht werden können. Denn schließlich geht es ja darum, allen Verkehrsteilnehmern und Anwohnern deutlich zu zeigen, dass dieses eine Fahrradroute ist.

Anfang BSR 1 am Pferdeweg

Zudem wird die BSR 1 an einigen Stellen mit einem temporär aufgestellten Banner erläutert und beworben. Wenn dieser in absehbarer Zeit wieder verschwindet, findet man allerdings keinen Hinweis mehr dazu, dass dort eine besondere Radroute beginnt und wo diese hinführt. Jemand, der dann nur die Piktogramme sieht, wird mit seinen Fragezeichen allein gelassen. Ebenso allein gelassen wird man am jeweiligen Ende der BSR 1. Man erkennt weder das Ende der Route noch wie man danach als Radfahrende weiterfahren soll.

Der Pferdeweg ist rd. 120 Meter lang und wurde vor einigen Jahren als Fahrradstraße eingerichtet. Grundsätzlich eine gute Idee. Der Pferdeweg ist vermutlich Deutschlands kürzeste Fahrradstraße. Die Sinnhaftigkeit erschließt sich nicht, denn im Pferdeweg (eine Sackgasse!!) fahren eh nur wenige Anwohner-PKW. Sinnhafter wäre gewesen, wenn man die ganze BSR 1 zur Fahrradstraße gemacht hätte. Leider fehlte wohl der Mut dazu.

Poller am Pferdeweg zum Kamillenweg

Am Übergang vom Pferdeweg in den Kamillenweg haben Radfahrende sowohl auf den kreuzenden Verkehr als auch auf die unglücklich gesetzten Poller zu achten. Die Poller sollen verhindern, dass Autoverkehr in den Pferdeweg hineinfährt. Hier schlagen wir als Verbesserung vor, den Pferdeweg nicht zum Kamillenweg, sondern zur Schützenstraße für den Autoverkehr zu sperren.

Ab Kamillenweg bis zur Einmündung in die Friedrichstraße erfolgt die Streckenführung an vielen parkenden Autos vorbei, die eine Gefahrensituation für Radfahrende darstellen. Hier muss man jederzeit mit sich öffnenden Autotüren oder ausparkenden Autos rechnen. Erschwert wird die ganze Situation durch Autos, die in Kreuzungssituationen, z. B. bei der Einmündung des Kamillenwegs, aber auch bei der Einmündung des Lilienweg, des Veilchenwegs oder des Rosenwegs parken. Die lauernden Gefahren hier richtig zu überblicken, ist bereits für Erwachsene nur sehr schwer möglich. Kindgerecht ist die Befahrung dieses Abschnittes überhaupt nicht. Der sog. ruhenden Verkehr (parkende Autos) sollte hier im Zuge der Einrichtung des BSR 1 noch neu geordnet werden. Außerdem wäre eine Diagonalsperre als modaler Filter an der Kreuzung Brandenburger Straße/Lilienweg/Veilchenweg überlegenswert, um den Auto-Durchgangsverkehr von der BSR 1 zu nehmen.

Nach der Brandenburger Straße wird die BSR 1 über die Friedrichstraße in den Dibberser Mühlenweg weitergeleitet. Spontan hätten wir die Route über Mittelstraße, Klaus-Groth-Weg und Theodor-Storm-Weg zum Dibberser Mühlenweg gewählt. Auf diesem Abschnitt ist deutlich weniger Autoverkehr als auf dem Dibberser Mühlenweg unterwegs. Vielleicht wollte man die Kreuzungen der Freudenthalstraße und der Klaus-Groth-Straße sowie die Steigung im Theodor-Storm-Weg zum Dibberser Mühlenweg vermeiden. In der Abwägung der Vor- und Nachteile beider Varianten können wir die Entscheidung für die gewählte Routenführung aber nachvollziehen.

Wir hätten uns allerdings gewünscht, dass der Radverkehr auf der BSR 1 keine Rechts-vor-Links-Vorfahrtsregel beachten muss. Das ist auf dem Weg von Süden nach Norden insgesamt neun Mal der Fall, in umgekehrter Richtung sogar 13 Mal. Auf einer Strecke von 2,8 Kilometer Länge ist das für eine Bequem+Sicher-Route unseres Erachtens nicht mehr akzeptabel und sollte durch geänderte Vorfahrtsregeln nachgebessert werden. Auch wenn uns hier in der Praxis oftmals Rücksicht nehmende PKW-Fahrer begegnen, die nicht auf ihr Vorfahrtsrecht beharren.

Ab Höhe des Theodor-Storm-Weges geht der Dibberser Mühlenweg in eine Schotterpiste über. Der Schotter ist so grobkörnig und locker, dass er für manche Radfahrende nur schwer befahrbar ist. Hier ist mittelfristig für eine Befestigung des Straßenbelags und kurzfristig für ein Austausch bzw. eine Verbesserung des Schotterbelags zu sorgen, um Unfallrisiken für Radfahrende zu minimieren. Spaß macht das Radfahren auf diesem Belag jedenfalls nicht.

Ab Beginn der Schotterpiste bis zum Ende der BSR 1 in der Brauerstraße ist die Strecke zudem nicht beleuchtet. Das ist mehr als ein Drittel der Gesamtroute. Das ist für eine Bequem+Sicher-Route, gerade auch vor dem Hintergrund des dortigen Untergrunds, nicht hinnehmbar. Auch hier sollte schnellstmöglich nachgebessert werden.

Unfallgefahr durch Findling

Am Ende des Dibberser Mühlenwegs hat man erfreulicherweise eine Möglichkeit geschaffen, geradewegs zur Überführung des Vaenser Wegs zu fahren. Hier wird man erstmals positiv überrascht! Es ist aber auch die einzige bauliche Veränderung, die uns aufgefallen ist. Mit einem Wermutstropfen. Ein Findling soll vermutlich die Nutzung dieses Wegs durch Autos verhindern. Leider ist der Findling dort bei Dunkelheit nicht zu erkennen und stellt ein erhebliches Unfallrisiko für Radfahrende dar. Hier sollte dringend nachgebessert werden.

Über eine Verkehrsinsel quert man dann im Anschluss den Nordring. Diese Kreuzungssituation sollte in absehbarer Zeit fahrradfreundlicher umgebaut werden. Nach einem kurzen Stück auf dem Radweg am Nordring wird man auf einen parkähnlichen Weg fernab des Straßenverkehrs weiter zur Brauerstraße geführt. Leider hat man nicht daran gedacht, diesen Weg rechtzeitig zur Einweihung der BSR 1 einem Baum- und Strauchschnitt zu unterziehen und frei zu schneiden. Von der Brauerstraße aus kommend entsteht dadurch ein schwer einsehbares Wegende zur Einmündung auf den Radweg am Nordring.

Gleiches gilt für den ursprünglich ca. 2,5 Meter breiten Weg, der beidseitig von Gras überwachsen ist. Schade eigentlich. Einladend ist der Weg so jedenfalls (noch) nicht.

Unser Fazit:
Ausschließlich mit schönen Markierungen wird man nicht dazu kommen, dass die Bequem+Sicher-Route 1 von einer breiten Masse angenommen wird. Der begrüßenswerte Ansatz des Ausbaus von Nebenstrecken als alternative Radwege zu den Hauptverkehrsachsen wird hier unseres Erachtens nicht optimal umgesetzt. Diejenigen, die eh schon viel mit dem Rad fahren, kennen diese Routenführung bereits. Ein Wow-Effekt bleibt aus. Dieser wäre vermutlich aber wichtig, um auch nur einen Autofahrer mehr zum Radfahren zu bewegen. So sind wir doch eher enttäuscht und skeptisch, dass das gelingt. Wenn die BSR 1 als erste umgesetzte Bequem+Sicher-Route den Standard für weitere Routen vorgeben soll, der Lust auf Radfahren macht, ist das unseres Erachtens leider misslungen.

Bericht im Nordheide Wochenblatt vom 15.07.2020

4 Gedanken zu „Außer Farbe nix gewesen

  1. Liebe Buchholzer,
    bitte weiter aufpassen und die Stadtverordneten kontrollieren.
    Nach Eurer „Kontrollfahrt“ durch Vereinsmitglieder wurde (leider) deutlich, das die städtischen Beauftragten sich gern selbst applaudieren und augenscheinlich wenig selber das Rad nutzen… Diese Blickwinkel kennen die Radler zur Genüge.
    Thema verfehlt. Potential nach oben ist reichlich und sollte / muss genutzt werden.
    Ein Zeitplan für die verbesserte Umsetzung muss her. Zur Kontrolle derselbigen.
    VG HJ

  2. Liebe KontrollradlerInnnen,
    danke für Eure kritische Begutachtung. Ich bin die Strecke auch abgefahren und komme zur selben Einschätzung wie ihr: Die Gesamtstrecke ist weder bequem noch sicher. Besonders die Schotterstrecke ist eine Zumutung! Das Projekt BSR 1 schreit nach Leserbriefen…
    Liebe Stadtverwaltung, gut gemeint ist leider noch lange nicht gut gemacht.
    Mit fahrradfreundlichen Grüßen, H. Maliers

  3. Liebe Vereinskollegen,
    da habt ihr ja eine Menge Arbeit geleistet wegen dieser, meiner Meinung nach, Petitessen. Man kann es mit Kritik auch übertreiben, so dass die Gefahr besteht, dass die Radfahrer und ihre Interessen nicht mehr ernst genommen werden.
    Ich habe mich jedenfalls gefreut, dass Buchholz versucht, Radverkehr von den Hauptverkehrsstrecken auf weniger befahrene Nebenstrecken zu verlagern. Hierfür bietet die BSR 1 gute Bedingungen. Ich bin schon lange der Meinung, dass hier der Schwerpunkt der Radpolitik liegen sollte und nicht auf Radschnellwegen z. B. von Tostedt nach Hamburg, die nur von einer kleinen Minderheit von Radfahrer genutzt werden wird – also eine Eliteplanung ist.
    Sicherlich lässt sich der BSR 1 noch optimieren. Aber man muss sich vor Augen führen, dass er sich in der Stadt befindet und insofern Kompromisse zu machen sind. Aus meiner radfahrerischen Sicht sind rechts-vor-links-Kreuzungen ein gutes Mittel, den gesamten Verkehr zu entschleunigen, denn die für mich von rechts kommenden Autos müssen ihrerseits auf rechts achten und können demzufolgen nicht zu schnell fahren. Ich habe auch meist die Möglichkeit, rechtzeitig in die abbiegenden Straßen zu blicken. Wenn die Brandenburger Straße zur Vorfahrtsstraße werden würde, würde sich zum einen der Schilderwald erheblich vergrößern und zum anderen eine schöne Rennstrecke entstehen.
    Der Findlich kann als Hindernis wahrgenommen werden, aber die verbliebene Durchfahrt ist doch noch weit genug. Vielleicht lässt sich eine rot-weiß gestreifte Warnung aufstellen. Im übrigen: Man wird immer gezwungen sein, Hindernissen auszuweichen, wie z. B. parkenden Autos. Alles andere ist illusorisch.
    Und die Büsche. Naja, die wachsen eben im Sommer und möglicherweise waren sie zum Zeitpunkt der Radwegausweisung weniger üppig. Mit ist beim Durchfahren vor ca. 3 Wochen kein Zweig in den Weg gekommen, es gibt genügend Platz zum Ausweichen.

    1. Hallo Jens,
      ja, man kann auf der als Bequem & Sicher-Route bezeichneten Strecke mit dem Rad fahren. Das war auch schon vor der Markierung möglich. Auch ich nutze diese Route. Aber der Anspruch ist doch ein anderer. Solche Routen sollten so hergerichtet sein, dass es Spaß macht, dort Fahrrad zu fahren, dass man sich als Radfahrende willkommen und ernst genommen fühlt, weil solche Routen speziell für den Rad- und eben nicht für den Autoverkehr hergerichtet sind. Die Routenmarkierungen führen doch an keiner Stelle dazu, dass diese bequemer oder sicherer ist als vorher. Das wäre aber erforderlich, wenn man auf dieser Route wirklich mehr Radverkehr erzeugen will. Wenn man uns das ernsthaft als Radverkehrsförderung anbieten und verkaufen will, sollten wir rechtzeitig, bevor weitere Routen so hergerichtet werden, gegensteuern. Das haben wir mit diesem Beitrag versucht. Aus der Stadtverwaltung hörte ich, dass man dort „not amused“ darüber war, dass wir mit unserer Kritik gleich an die Presse gegangen sind und nicht erst das Gespräch gesucht haben, um die Chance der Nachbesserung zu geben. Ich frage mich hingegen, warum nicht seitens der Stadt das Gespräch mit uns gesucht wurde, bevor man Fakten schafft. Zugegeben, wir sind keine Verkehrsplaner, keine Verkehrsrechtsexperten und keine Profis im Radwegebau, aber wir haben als Radfahrende Praxiserfahrungen, die hier bestimmt hilfreich gewesen wären.
      Der fehlende Baumschnitt ist in der Tat eine Kleinigkeit. Wenn man jemanden zum Radfahren einladen will, gehört das aber auch dazu. Denn wenn man Gäste zum Essen erwartet, hat man den Tisch in der Regel auch eingedeckt und ein bisschen hübsch gemacht, zumindest aber das Geschirr abgewaschen. Für unliebsame Gäste gilt das nicht und so fühlt man sich hier leider als Radfahrender.
      Und beim Findling geht es nicht darum, dass es nicht genügend Platz gäbe, dort vorbei zu fahren, sondern dass man diesen an dieser unglücklichen Stelle übersehen und verunfallen könnte, insbesondere wenn es dort im Winterhalbjahr früh dunkel wird. Die Strecke ist dort nicht beleuchtet.

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